Eine Legende berichtet, dass einst eine sittsame Jungfrau, die am steilen Hang unweit der Feste Gillitzstein ihre Ziegen weidete, ein leises, zartes Wimmern vernahm. Als sie dem Wimmern folgte, wurde sie von einem grellen, blauen Licht, welches aus einer Felsspalte strahlte, geblendet, sodass sie ihre Augen schließen musste. Als sie die Augen wieder öffnete sah sie im Hintergrund der Höhle die Jungfrau Maria mit ihrem weinenden Jesuskind im Arm.
Die Hirtin viel auf die Knie und wollte zu Beten beginnen, als Maria zu ihr sprach:
„Fürchte dich nicht, ich bin es, deine Gottesmutter, dieser Ort ist heilig. Verkünde dein Erstaunen den Menschen und ermahne sie zur Gottesfurcht, kurz ist des Menschen Dasein und lange die Ewigkeit“
Dann war die Erscheinung verschwunden. Die Hirtin erzählte den Menschen von ihrem Erlebnis. Seit jener Zeit pilgern viele Gläubige über den steilen, felsigen Hang hinauf zum heiligen Loch.
Diese legende lässt den uralten Ritus der spirituellen Empfängnis durchscheinen. Die vorpatriarchale Zeit während der Jungsteinzeit war in Europa, ausgehend vom Mittelmeerraum geprägt von einer Göttinnen-Spiritualität.
Im Weltbild unsere Ahninnen und Ahnen war die Erde, die Welt selbst göttlich. Sie selbst war die große Ahnfrau mit der sich die Menschen verwandtschaftlich verbunden fühlten. Dieses Göttliche zeigte sich ihnen in Naturkräften, den Elementen, den Gestirnen, der Landschaft. Der Körper der großen Ahnfrau wurde konkret in der Landschaft erkannt. Hügel versinnbildlichten ihren Bauch, Doppelberge ihren Busen, Höhlen und Quellen ihren Schoß, Flüsse ihre Adern und Steine ihre Fußabdrücke.
Trotz Missionierung und Christianisierung haben sich bis heute viele heilige Quellen, heilige Steine oder heilige Bäume, oder heilige Höhlen, die Heilkraft, Schutz oder auch Kindersegen versprechen, im Volksbrauchtum gehalten. Oft finden wir sie an Kapellen oder bei Kirchen, häufig verknüpft mit einer Marienverehrung bzw. Marienerscheinung, die auf einen ehemaligen Sitz und dortigen Verehrung einer Landschaftsgöttin hinweisen.
So verhält es sich auch mit diesem heiligen Loch. Es ist eine Höhle an einem besonderen Platz die als Vulva, als Schoß der Mutter Erde erkannt wurde, durch die alles Leben zurückkehrt in den Leib der großen Ahnfrau. Dort wirkt sie als Herrin der Anderswelt mit ihren magischen Kräften der Transformation und verjüngt die Ahnenseelen damit diese zur richtigen Zeit als junge Seele wiederkehren können. Die Höhle ist also eine Art Seelenportal zum Ahnenraum der Landschaftsahnin.
Das blaue Licht und Maria mit dem weinenden Jesuskind deuten auf den Mädchen-Aspekt der Göttinnen-Triade hin. Sie ist die Herrin des Himmels und des schöpferischen Chaos. Es ist die schöne weiße Frau. Eine der drei Saligen Frauen, eine der Schicksalsgöttinnen, der weiße Aspekt der Dreifachen Göttin. In der vorliegenden Legende wurde die Salige zur Jungfrau Maria, die ihr Jesuskind ebenfalls spirituell empfangen hat.
So gingen wahrscheinlich einst auch Frauen mit Kinderwunsch im Rahmen eines Rituals in das heilige Loch bei Eberstein, um von der großen Ahnin eine Ahnenseele zu empfangen. Solche Rituale, sind aus vielen Kulturkreisen bekannt, wobei die schöne weiße Frau mit dem aufkommenden Christentum oft zur Maria wurde.
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