In der Zeit der matriarchalen Kulturen, von der Altsteinzeit (100 000 vor unserer Zeitrechnung) bis in die Eisenzeit (ca. 2000 vor unserer Zeitrechnung) war die Empfängnis eines Kindes stark verwoben mit der Verehrung der großen Göttin, der Ahninnen und Ahnen, mit dem zyklischen Lauf der Welt und einer Wiedergeburtsmythologie. Erst mit dem Vordringen des Patriarchates, der christlichen Missionierung, später dann mit dem Beginn der Aufklärung und der zunehmenden Hinwendung zu den Naturwissenschaften wurde diese Weltsicht mehr und mehr verdrängt.
Diese Zeit war geprägt von einer Göttinnen-Spiritualität. Die Göttin war der gesamte Kosmos und die Erde selbst. Als Mutter Erde war sie die Stammesmutter, die große Ahnfrau, die Lichtbringerin, Schenkerin des Lebens und Herrin über die kosmische Ordnung – den Lauf der Dinge.
Stirbt ein Mensch kehrt seine Seele dorthin zurück, woher sie gekommen war – in den Schoß der großen Mutter Erde, in das Jenseitsparadies. Dort wirkt die Erdmutter als Tod-im-Leben Göttin mit ihren magischen Kräften der Transformation und Wandlung, verjüngt die Seelen der Ahninnen und Ahnen bis diese durch eine Frau wiedergeboren werden konnten. Die Frau war die Garantin für die Wiederkehr der Verstorbenen aus der Sippengemeinschaft.
Der Tod war nichts Endgültiges, er war nur ein anderer Seinszustand. In diesem Seinszustand wohnen die Ahninnen und Ahnen in der Gemeinschaft weiter. Sie wohnten in der Natur an Seelensitzen wie Steinen, Bäumen, Höhlen oder Quellen. Alle diese Orte verkörperten den Schoß der großen Ahnfrau und Stammesmutter aus dem einst alles Leben entsprungen ist. Die Ahninnen und Ahnen leben dort in der diesseitigen Jenseitswelt und beeinflussen das Wohlergehen der Sippengemeinschaft. Deshalb war die Verehrung der Ahninnen und Ahnen von zentraler Bedeutung. Die Lebenden und die Toten bildeten eine Gemeinschaft und halfen sich gegenseitig.
Eine Frau mit Kinderwunsch begab sich an einen dieser Seelensitze. Sie konnte durch Körperkontakt mit einem solchen Ort eine Kinderseele empfangen, eine Seele eines Verstorbenen aus der Sippengemeinschaft. Diese spirituelle Empfängnis vollzog die Frau etwa durch Reiben ihres Schosses/Bauchs an einem Ahnenstein, oder sie rutschte mit nacktem Gesäß über einen sog. Rutschstein, stieg in den „Fußabdruck“ der Göttin in einer Steinplatte oder legte sich in den „Ahnenstein“ hinein. Sie badete im Seelenwasser oder trank davon. Die Mutter empfängt matrilinear das Seelenkind von der großen Göttin und bringt eine verstorbene Person aus der Sippengemeinschaft wieder zurück auf die Erde, zurück ins Leben.
Heute erkennen wir in der Landschaft solche Seelenorte durch Namen wie Rutschstein, Hexenstein, Teufelsstein oder Kindlistein. Mit der Infantilisierung bzw. Dämonisierung der Orte durch - unter anderem - solche Umbenennungen wurde durch die Kirche versucht, die Verehrung solcher Orte zu unterbinden. Trotz dieser Umdeutung sind es immer noch Ahnensteine, besondere Steine und besondere Orte, die den Schoß der großen Göttin repräsentieren.
Solche Seelensitze finden wir über den ganzen Alpenraum verteilt. Im Folgenden einige Beispiele:
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