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Achsknick und Orientierungstage bei Sakralgebäuden am Beispiel des Doms zu Wiener Neustadt

Aktualisiert: 20. Aug. 2021


Dom zu Wiener Neustadt | Achsknick | Orientierung | Raum und Mensch - Schule für Geomantie und Radiästhesie

Zahlreiche, oft historisch bedeutende Kirchen weißen einen sogenannten Achsknick auf. Ein Achsknick meint, dass bei einer Kirche die Orientierung der Längsachse des Langhauses von der Längsachse des Chors abweicht. Die gesamte Achse der Kirche also keine durchgehende Gerade ergibt, sondern einen Knick aufweist.


Orientierung

Kirchen sind grundsätzlich „geostet“, also nach Osten ausgerichtet, orientiert. Die Ausrichtung nach Osten deshalb, da die Sonne symbolhaft für Christus steht und der Sonnenaufgang die Auferstehung Christi spiegelt. Bei einer geosteten Kirche liegt der Chor mit dem Hochaltar im Osten. Ostung im Kirchenbau meint aber die tatsächliche Orientierung der Kirche nach dem Sonnenaufgang über den örtlich gegebenen Horizont z.B. am Gründungstag der Kirche oder dem Tag des Patroziniums. Man findet aber auch häufig Kirchen die sich am Sonnenaufgang des Ostersonntags oder Pfingstsonntags (also an beweglichen Festtagen) in ihrem Gründungsjahr orientieren. Die kanonische Anforderung die Kirchen zu Osten war bis zum Konzil von Trient verpflichtend (16. Jh.). Bei späteren Kirchenbauten entsprach jeder geweihte Altar den kanonischen Anforderungen, egal in welche Himmelsrichtung er orientiert war.


Achsknick

Hat eine Kirche einen Achsknick wird als Ursache oft ein Wechsel des Titelheiligen (Patrozinium) aufgrund einer langen Bauunterbrechung, das geneigte Haupt Christi das in den Grundriss projiziert wird, oder auch eine ungenaue Ausführung des Baus vermutet, was aber vor dem Hintergrund der ansonsten sehr genauen Ausführungen der entsprechenden Kirchenbauten als eher unwahrscheinlich anzunehmen ist.


Am wahrscheinlichsten steckt hinter dem Achsknick die kanonische Anforderung einer getrennten Orientierung von Langhaus und Chor. Das Langhaus steht im Kirchengebäude für den irdischen Bereich und der Chor für den himmlischen Bereich. Die Triumphpforte ist die Schwelle zwischen den beiden Bereichen. Vom Langhaus, dem irdischen Bereich, gelangt man über die Triumphpforte in den Chor, den himmlischen Bereich. Vom Irdischen Leben, über den Tod zur Auferstehung in das ewige Leben im Himmel.

Der Chor steht also in der Rangordnung dem Himmel näher als das Langhaus. Dementsprechend gibt es auch bei der Orientierung von Langhaus und Chor eine Rangfolge. Der Grad der Heiligkeit muss also vom Langhaus zum Chor steigen; z.B. Langhaus ausgerichtet auf den Sonnaufgang am Gründonnerstag und der Chor ausgerichtet auf den Sonnaufgang am Ostersonntag. Die Orientierungstage wurden meist vom Bauherrn vorgegeben. Für die Ausrichtung des Chors wurde bevorzugt ein Sonntag gewählt, der Tag des Herrn, der erste Tag der Woche. Der Sonntag steht für die Wiederholung des Osterfestes. Demnach steht der Ostersonntag in der Rangfolge der Heiligkeit an oberster Stelle. Für die Kombination der Orientierungstage von Langhaus und Chor gibt es prinzipiell viele Kombinationen, wichtig ist die Einhaltung der kanonischen Rangfolge. Der Titelheilige (Kirchenpatron) ist nicht sehr häufig mit einem Orientierungstag verbunden.


Steht der Plan für eine Kirche fest, muss die Orientierung und der Achsknick vor Ort ausgesteckt werden. Das muss am Orientierungstag am Morgen bei Sonnenaufgang erfolgen. Am westlichsten Startpunkt der Längsachse des Langhauses wurde ein Pflock in die Erde geschlagen und mit dem Sonnaufgang über dem Horizont wurde die Längsachse des Langhauses (mit einem Seil) ausgesteckt und im Anschluss der Bezugspunkt für die Orientierung der Längsachse des Chores festgelegt. Mit der Ausrichtung des Chors musste nun auf den entsprechenden Tag, an dessen Sonnaufgangspunkt der Chor orientiert werden sollte, gewartet werden (Siehe Abbildung).


Dom zu Wiener Neustadt | Achsknick | Orientierung | Raum und Mensch - Schule für Geomantie und Radiästhesie


Der Kirchenbau begann also mit dem Orientierungstag des Langhauses und endete mit der Einweihung am Tag des Titelheiligen (Patrozinium).


Dom zu Wiener Neustadt

Dom zu Wiener Neustadt | Achsknick | Orientierung | Raum und Mensch - Schule für Geomantie und Radiästhesie

Ein besonderes Beispiel für eine Kirche mit einem Achsknick ist der Dom zu Wiener Neustadt. Besonders deshalb, weil die Orientierungstage für Langhaus jeweils auf den Pfingstsonntag fallen, aber im Abstand eines Jahres. Pfingsten ist ein sogenanntes bewegliches Fest. Es findet sieben Wochen nach dem beweglichen Osterfest statt. Es fällt also von Jahr zu Jahr auf einen anderen Tag. Die unterschiedliche Orientierung des Langhauses und des Chores auf den Sonnaufgang zu Pfingsten an zwei aufeinanderfolgenden Jahren ergibt also ein Achsknick.


Die Orientierung der Längsachse des Langhauses erfolgte auf den Sonnaufgang des Pfingstsonntages des Jahres 1192. Am Pfingstsonntag 1192 wurde Leopold der V von Kaiser Heinrich den VI mit der Steiermark belehnt – zu dieser Zeit lag die Grenze der Steiermark viel weiter östlich als heute, an der Pisting. Die zu gründende Stadt Wiener Neustadt mit ihrem Dom lag damals in der Steiermark.


Der heilige Tag der Belehnung war also Pfingsten und war für Leopold von so großer Bedeutung, dass die Orientierung der Längsachse des Domes und auch die Stadtplanung der neu zu gründenden Stadt Wiener Neustadt auf den Sonnaufgang zu Pfingsten 1192 ausgerichtet wurden. Der Chor wiederum wurde auf den Sonnaufgang zu Pfingsten 1193 ausgerichtet.


Dom zu Wiener Neustadt | Achsknick | Orientierung | Raum und Mensch - Schule für Geomantie und Radiästhesie

Durch die Verknüpfung der Ausrichtung der Längsachse des Langhauses mit der Stadtplanung steht die Längsachse eindeutig für das irdische. Die Achse des Chors ist für sich allein auf den Sonnenaufgang zu Pfingsten 1193 gerichtet. Sie verbindet symbolisch vom Knickpunkt aus gesehen das Irdische mit dem Himmlischen. Die kanonische Anforderung zur Einhaltung der Rangfolge wird eingehalten.


Wenn du mehr über die Thematik erfahren möchtest, empfehle ich dir das Seminar Heilige Geometrie, oder das Seminar Kraft des Ortes – Orte der Kraft im Zuge dessen wir den Dom zu Wiener Neustadt besuchen und auch erfahren können.

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