In den Ritualbüchern (Libri rituales), dem dritten Buch der Etrusca disciplina wird unter anderem beschrieben nach welchem Regelwerk Raum und Zeit bei Stadtgründungen, Stadtplanungen und der Teilung des Landes zu berücksichtigen bzw. einzubeziehen sind. Dieses Regelwerk kann, wie ich meine, unter den weiten Bogen der geomantischen Praktiken eingeordnet werden.
Eine Stadtgründung der Etrusker, folgte ganz bestimmten Ritualen, dem ritus etruscus, die später so von den Römern übernommen wurden. Durch diese - unter anderem - religiösen Zeremonien wurde die Stadt von Beginn an unter göttlichen Schutz gestellt.
Eine Stadtgründung war und ist immer noch eine Inbesitznahme des Landes. Aus dem Landschaftsraum, der bisher in absoluter Harmonie gestaltet war, wurde der Raum für die Stadt herausgenommen. Daher bedarf es dieser Riten, um die feinstofflichen Bewohner und den Geist des Ortes friedlich zu stimmen, um in Zukunft dort in Harmonie und Wohlergehen leben zu können. Dasselbe gilt im Übrigen auch wenn wir heute z.B. ein Haus für uns bauen. Viele Riten wie z.B. die Grundsteinlegung leiten sich heute noch davon ab.
Der Zeitpunkt und der Ort der Gründung wurden durch die Auspicato (Vogelschau, Beobachtung von Wind und Wetter, der Gestirne etc.) bestimmt. Die Gründungszeremonie wurde von einem Auguren mit gabinisch geschürzter Toga vollzogen. Der so gefundene Ort war der Mittelpunkt der neuen Stadt, der Umbilicus. Alle weiteren Zeremonien und Rituale sind von diesem zentralen Punkt abhängig. Die zukünftige Mitte war der Omphalos, der Nabel der Welt.
Dort wurde eine Grube ausgehoben, mit Opfergaben (die Erstlinge aller angebauten Feldfrüchte) gefüllt und mit einem kreisrunden Stein, dem lapis manalis, verschlossen. In dieser Grube wurden auch der heilige Pflug und weitere Ritualgegenstände der Stadtgründung (näheres folgt weiter unten) aufbewahrt. Dreimal im Jahr wurde die Grube im Rahmen von Schutz- und Wohlergehensritualen geöffnet.
Für die Einteilung der Stadt saß der Augur an dem durch die Auspicato bestimmten Zeitpunkt am Umbilicus nach Süden gewandt. Er teilte das Land in vier Teile. Die westliche Hälfte vor ihm wurde templum anticum dextrum, die linke vor ihm templum anticum sinistrum, der nordöstliche Teil hinter dem Auguren nannte sich templum posticum sinistrum der nordwestliche templum posticum dextrum.
Wir erkennen diese Einteilung der Stadt heute noch im Begriff der Stadtviertel, die längst nicht mehr nur vier sind und sich trotzdem noch darauf beziehen.
Die vier Viertel wurden durch zwei sich im rechten Winkel schneidende Linien getrennt. Die in Nord-Süd Richtung verlaufende wurde cardo, die von Ost nach West verlaufende decumanus genannt. Von Cardo leiten sich die Kardinalpunkte bzw. die Kardinalrichtungen, welche die Haupthimmelsrichtungen meinen, ab.
Vom Mittelpunkt aus wurden die Viertel weiter unterteilt, so dass Achtel oder auch Sechzehntel enstanden. Die Strahlen verliefen vom Mittelpunkt zum Horizont und wurden bestimmten Gottheiten zugeordnet. Die Hauptgottheiten, die den Menschen wohlwollend gegenüberstanden, wohnten im Osten und Nordosten, Erd- und Naturgottheiten im Süden und die Schicksalsgottheiten im Westen und Nordwesten.
Anschließend wurden die Stadtgrenzen rituell gezogen. Dazu spannte der Augur einen weißen Stier rechts und eine weiße Kuh links vor einen Pflug. Der Pflug musste aus Erz sein, also kein Holzpflug. In Gehrichtung wurde der Stier außen und die Kuh innen geführt. Eine ununterbrochene, gleichmäßige Furche wurde in der Art gezogen, dass die Scholle nach innen geworfen wurde und die Furche außen entstand. Die Sulcus primigenius, die „Urfurche“ zeichnete die Grenze des neuen heiligen unverletzlichen Gebietes. Die Scholle repräsentierte die zu bauende Mauer und die Furche den Stadtgraben. An den Stellen der zukünftigen Stadttore wurde der Pflug angehoben und über diese hinweggetragen. Dieses wunderbare Ritual klingt heute noch im italienischen Porta (das Tor) nach, welches sich vom lateinischen portare (tragen) ableitet.
Die Disciplina Etrusca zeigt eine Weltsicht, in der das Materielle letztlich aus dem spirituellen heraus, geistigen und kosmischen Gesetzen folgend, entsteht.
Wenn du tiefer in geomantische Praktiken eintauchen möchtest, empfehle ich die die Seminare Geomantie im Haus – Wohnen in guter Energie bzw. Geomantie in der Landschaft.
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