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Raum und Mensch - Schule für Geomantie und Radiästhesie

Die große Schnitterin - Lugnasad/Lammas

Juli und August ist die Zeit der Fülle und Überfülle. In den Kornfeldern stehen die Ähren dicht an dicht, die Abendsonne lässt sie golden scheinen und der warme Sommerwind streicht sanft über sie hinweg. Die dürren Halme reiben aneinander und lassen ein rhythmisches Knistern ertönen.


Ein Anblick, der bei jungsteinzeitlichen Menschen, die lange vor uns den Alpenraum dauerhaft besiedelt haben, große Freude und gleichzeitig eine tiefe Dankbarkeit ausgelöst haben muss. Der Ackerbau war jetzt ihre Hauptnahrungsquelle. Im fruchtbaren Halbmond, einem weitläufigen Gebiet, das sich sichelförmig von der Halbinsel Sinai über die östliche Mittelmeerküste, die südöstliche Türkei, das Zwischenstromland bis zum persischen Golf ausdehnt, fand die sogenannte „neolithische Revolution“ statt. Dort entwickelte sich vor etwa 12.000 Jahren nichts weniger als die Landwirtschaft, wie wir sie noch heute kennen.

Die Ähren - die goldenen Haare der Göttin bzw. ihre Kornkinder | Blog | Raum und Mensch - Schule für Geomantie und Radiästhesie
Die Ähren - die goldenen Haare der Göttin bzw. ihre Kornkinder

Die Kunst des Getreideanbaus brachten diese Menschen bei der neuerlichen Besiedlung nach der großen Eiszeit auf ihrem langen Weg aus dem fruchtbaren Halbmond über den Mittelmeerraum in den Alpenraum mit.


Genauso ihre Spiritualität, die geprägt war von einer großen Erdgöttin. Diese Göttin war die Erde selbst, die mit ihrer Schöpferkraft alles Leben, Pflanzen, Tiere und Menschen aus ihrem Erdkörper hervorbrachte und ihre Erdenkinder mit den Gaben der Natur beschenkte und ernährte.


Ihre große Göttin, die Erdmutter, war die Schenkerin von Leben und die große Ernährerin. Alle Gaben waren ihre Geschenke. So war für die damaligen Menschen auch die Kornernte nicht nur eine einfache, profane Handlung. Es war die Ernte der Gaben der großen Göttin der Fülle, der Reichtumsspenderin, die ihr Füllhorn ausschüttete.


Die Kornkinder, die Schnitterin und das Schnitterinnenfest

Der Hochsommer ist eine Zeit der Fülle, aber es ist auch bereits eine Wandlungskraft spürbar. Seit der Sommersonnenwende hat die Sonnenbahn merklich an Höhe verloren, der Abend kommt früher, die Schatten werden länger. Gleichzeitig ist Hochsommer, die Zeit der größten Sommerhitze. Es herrscht Trockenheit und Dürre. Es liegt eine Spannung in der Luft, die sich in mächtigen Sommergewittern entlädt.


Auch in der Natur erkennen wir diese Spannung. Zahlreiche Sommerblumen blühen in bunten Farben und zeigen ihre Kraft noch im Äußeren, viele ziehen sich aber bereits zurück, verdorren, richten ihre Kraft nach innen und lassen Samen und Körner reifen. Die Zeit des Vergehens, des Todes ist angebrochen und beginnt langsam, aber unabwendbar die gesamte Natur zu erfassen und deutet den Menschen die Ernte einzufahren. Im Jahresrad ist es eine Zeit des Übergangs – von der roten Kraft zur schwarzen Kraft.


Es waren die Frauen, die beginnend mit der neolithischen Revolution das Getreide kultivierten. Die diesbezüglichen Fähigkeiten und das entsprechende Wissen schenkte ihnen die Kornmutter. Die einzelnen Ähren waren die Kornkinder. Sie standen rings um die heiligen Hügel in den großen Kornfeldern. Der Hügel stand für den schwangeren Erdrauch der Göttin aus dem Heraus die Kornkinder auf den Feldern geboren wurden. Die Geburt des Kornkindes war mit dem ersten Schnitt der Ähren vollendet.


Die Zeit der Kornernte war eine heilige Zeit, eine Festzeit. Jeder Schnitt mit der Handsichel war gleichzeitig eine sakrale Handlung. Sie schneiden die Kornkinder, bringen ihnen den Tod und schickt sie auf eine Jenseitsreise. Die Tod-im-Leben Göttin, der schwarze Aspekt der dreigestaltigen Göttin, verjüngt die Kornkinder, um sie zu Mittwinter, dem Zeitpunkt der Wintersonnenwende, wieder auf die Erde zurückzuschicken.


Die Wandlung ist jetzt wahrnehmbar, die dunkle Zeit naht. Im Jahresrad tritt die Göttin zum ersten Mal in ihrer schwarzen Kraft auf. Die Sichel ist nicht nur ein Arbeitsgerät, sondern hat auch eine tiefe symbolische Bedeutung. Sie steht für den abnehmenden Mond, der die Kraft der Sonne begrenzt. Die Tage werden kürzer, die Nächte länger. Die Sonne verliert an Raum und der Mond gewinnt an Raum.


Die Sichel der Schnitterin-Göttin beschneidet die übermäßige Kraft der Sonne und beschützt dadurch die Ernte. Die Sichel bringt den Kornkindern aber auch den Tod, den Tod für das Leben, das im Winter weitergehen soll. Wie eine Mutter nährt die Kornmutter durch das Getreide. Zu Brot verwandelt, half es den Menschen, über den entbehrungsreichen, kalten und dürren Winter zu kommen. Besonders diese Verwandlung galt als Magie, es war eine magische Verwandlung. Aus dem Getreide, das starb, wird Leben, das Brot, geschenkt. Und diese Kunst, diese Magie, die aus dem Tod durch Wiedergeburt wieder Leben entstehen lässt, ist alleine den Frauen vorbehalten. Auch hier erkennen wir das polare und zyklische Weltbild der vorchristlichen Menschen.

Das Rad des Lebens und die acht großen Jahreskreisfeste | Blog | Raum und Mensch - Schule für Geomantie und Radiästhesie
Das Rad des Lebens und die acht großen Jahreskreisfeste

Das Schnitterinfest war einst eines der acht großen Jahreskreisfeste der jungsteinzeitlichen Ackerbaukulturen, welche von den nachfolgenden Kulturen übernommen wurden. So auch von den Kelten. Deshalb kennen wir heute die acht Jahreskreisfeste als keltisches Jahresrad und die einzelnen Feste sind unter ihren irisch/keltischen Namen bekannt.


Das Schnitterinfest bekam den irisch/keltischen Namen Lughnasadh (oder Lugnasad, gesprochen "Lunasa"). Es war immer ein Mondfest und wurde ursprünglich um den Augustvollmond herum gefeiert. Lug war der feurige keltische Gott des Sonnenlichts – ein Sonnenheros. Er brüllt im Juli und August mit seiner ganzen Kraft, schickt seine Gluthitze und droht die Erde zu versengen. Diese übermächtige Sonnenkraft wird durch die Schnitterin-Göttin beschnitten.


Eine weitere Bezeichnung ist Lammas. Lammas kommt aus dem angelsächsischen und leitet sich vom keltischen Fest Lughnasadh ab. Lammas meint im Kern die Feier des ersten Brotlaibes, das aus dem ersten geernteten Getreide gebacken wird.

Im Jahresrad steht es zwischen der Sommersonnenwende Litha und der Herbst-Tagundnachtgleiche Mabon.


Notburga, Pfarrkirche Rattenberg | Raum und Mensch - Schule für Geomantie und Radiästhesie
Notburga, Pfarrkirche Rattenberg

Die christliche Tödin ist die heilige Notburga. Ihr Symbol ist die Sichel. Notburga soll am Übergang vom 13. ins 14. Jh. die Dienstmagd eines Bauern in Eben in Tirol gewesen sein. Als der Bauer eines Tages befahl, auch nach dem Feierabendläuten auf dem Feld den Weizen zu schneiden, widersetzte sich Notburga und warf die Sichel in die Höhe, die wie durch ein Wunder an einem Sonnenstrahl hängen blieb. In diesem sog. „Sichelwunder“ erkennen wir wieder das Beschneiden der Sonnenkraft, gleich der abnehmenden Mondsichel, die durch die zunehmende Länge der Nacht die Länge der Tage kürzt.


In einer Abbildung der Notburga in der Pfarrkirche von Rattenberg erkennen wir sie dargestellt in den Farben der Göttin (Weiß, Rot und Schwarz). In ihrer rechten Hand trägt sie die Sichel in Form des abnehmenden Mondes und die geschnittenen Ähren, mit ihrer linken Hand schenkt sie einem armen Mann Brot.


Die Jahreskreisfeste wurden von den frühen Ackerbaugesellschaften generell in Abhängigkeit vom Vegetationszyklus gefeiert. Die Natur, als Verkörperung der Erdgöttin, gab die Zeichen vor und sagte den Menschen, wann es Zeit war. Die große Schnitterin und Priesterin bestimmte den Zeitpunkt der Ernte und des ersten Schnittes.


Auch waren die Jahreskreisfeste keine Tagesfeste, sondern immer eine Festzeit, die über mehrere Tage oder Wochen gefeiert wurde.  Erst mit der Einführung des Kalenders wurden die vorchristlichen Jahreskreisfeste bestimmten Tagen zugeordnet. Das Schnitterinfest kam so auf den 1. August.


Der Schnitt

Bei der Getreideernte wurden die geschnittenen Halme zu Garben gebunden, die man wieder zu mehreren auf dem Feld zum Trocknen zusammenstellte. Dabei entstanden menschenähnlichen Figuren, die Kornpuppen oder Kornmandelen. Nach dem Binden der letzten Garbe, wurde diese - als Verkörperung der großen Göttin selbst - in die Mitte des abgeernteten Feldes gestellt. Jetzt war die Ernte abgeschlossen und die Handsicheln konnten in diese letzte Garbe gehängt, also der Göttin zum Dank rituell geopfert werden.


Brauchtum

Der Ofen - Bauch der Mutter Erde | Blog | Raum und Mensch - Schule für Geomantie und Radiästhesie
Der Ofen - Symbolhaft Bauch der Erdmutter

In Tirol wurden die Kornpuppen auf den Feldern „Kornmatze“ genannt. „Matz“ entwickelte sich aus dem hebräischen „Matzah“, was für das heilige, ungesäuerte Brot steht. In diesem Begriff erkennen wir noch die uralte Bedeutung und den Zeitpunkt dieses Festes. Es begann, als aus dem ersten Mehl der frischen Kornernte der erste Brotlaib aus dem Ofen, der symbolisch für den Bauch der Mutter Erde steht, geholt wurde.


In manchen Gegenden im Alpenraum war jene Person, die die letzte Garbe schnitt, auch gleichzeitig der Korngeist und bekam für die Zeit bis zum nächsten Erntefest den Namen der letzten Garbe, wurde also ab jetzt „der Alte“, „die Kornmutter“ usw. genannt, wurde in Stroh gehüllt oder musste eine Strohpuppe anfertigen, die in einem feierlichen Umzug zum Hof geführt und dort gegen die vorjährige ausgetauscht, die im Anschluss feierlich verbrannt wurde. Den Schnitterinnen und Schnittern wurde dann ein festliches Mahl bereitet.


Der Korngeist | Blog | Raum und Mensch - Schule für Geomantie und Radiästhesie
Der Korngeist - die letzte Garbe

„Du hast den Alten und musst ihn behalten“. Mit diesen Worten bespricht die erste Schnitterin die letzte Garbe, auf dass der Korngeist in diese Garbe hineinschlüpfen möge und dem Haus, in das sie gebracht wird, zukünftigen Ernteseegen bringen möge


Anderswo wiederum wurde die letzte Garbe für die „armen Seelen“ stehen gelassen. In den verchristlichten „armen Seelen“ erkennen wir die verstorbenen Ahnenseelen, die Familiengeister, die auch nach dem Tod Teil der Sippengemeinschaft blieben. So konnten die Ahnengeister an dem Erntefest teilhaben.


Die goldenen Getreidefelder können wir noch heute sehen, die Arbeit der Schnitterin bzw. der Schnitter wurde längst durch riesige Erntemaschinen ersetzt. So verschwanden auch die Kornpuppen und die Kornmandelen und mit ihnen die Volksbräuche, die noch an die vorchristlichen Ernterituale erinnerten.





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