Pfingsten – Vom Grünen Mann zum Heiligen Geist
- 27. Mai
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Pfingsten leitet sich vom altgriechischen he pentekostē ab, was „der Fünfzigste“ bedeutet. Der Name verweist auf die fünfzig Tage, die zwischen dem Ostersonntag und dem Pfingstfest liegen – gefeiert wird also am fünfzigsten Tag nach Ostern. Damit ist Pfingsten, wie auch Ostern, ein „bewegliches“ Fest, das frühestens am 10. Mai und spätestens am 13. Juni gefeiert werden kann.
Pfingsten zählt zu den wichtigsten Festen im Christentum, da es auf die Anfänge der Kirche zurückgeht. Nach dem Tod Jesu kehrten die Jünger nach Jerusalem zurück und versammelten sich zum sogenannten Wochenfest (Schawuot), als der Geist Gottes auf sie herabkam:
„Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie waren. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder. Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab.“ (Apostelgeschichte 2, 1–5)
Pfingsten und das Sprachwunder

Dieses sogenannte Sprachwunder ermöglichte es den Jüngern, die Botschaft Jesu in vielen Sprachen zu verkünden – ein symbolischer Beginn der weltweiten Verbreitung des Christentums. In der christlichen Ikonografie wird das Pfingstwunder – die Ausgießung des Heiligen Geistes – häufig durch eine Taube dargestellt, die auf die Gemeinschaft herabkommt. Gelegentlich sind auch Feuerzungen zu sehen, die auf das Sprachwunder anspielen.
Ein besonders anschaulicher Brauch ist das sogenannte „Heiliggeistloch“ – eine Öffnung in der Kirchendecke, durch die zu Pfingsten eine Holztaube herabgelassen wird. In manchen Kirchen regnet es zusätzlich Blumen als Anspielung auf frühere Fruchtbarkeits- und Vegetationskulte. In seltenen Fällen wurde sogar brennendes Werg als Symbol für die Feuerzungen aus der Öffnung herabgelassen.
Wie viele christliche Feste hat auch Pfingsten im Zuge der Christianisierung ältere, vorchristliche Riten und Festzeiten überlagert. Dennoch haben sich zahlreiche Fruchtbarkeits- und Vegetationsbräuche erhalten, die auf heidnische Ursprünge hinweisen.
In der vorchristlichen Zeit war die Weltanschauung vieler Kulturen stark von einer Göttinnen-Spiritualität geprägt. In dieser Vorstellung kehrten die Frühlingsgöttin und ihr vegetativer Gefährte – der „Grüne Mann“ oder „Gehörnte“ – im Frühling aus der Unterwelt zurück, wo sie während der dunklen Jahreszeit verweilten. Ihre Vereinigung symbolisierte die Rückkehr des Lebens, des Lichts und der Fruchtbarkeit. Wenn sie über die Fluren schritten, erwachte die Natur scheinbar wie durch Zauberhand zum Leben.
Diese mythische Rückkehr und Vereinigung wurde im Rahmen der Jahreskreisfeste rituell gefeiert, um die magischen Kräfte der Natur zu ehren und zu stärken. Die Rituale vermittelten Orientierung, Sicherheit und das Vertrauen in den ewigen Zyklus von Werden, Sein, Vergehen und Wiederkehr.

Bis heute haben sich vielerorts Bräuche erhalten, die auf diese alten Rituale zurückgehen – etwa das Schmücken von Brunnen oder Umzüge mit Figuren, die mit Laub oder Zweigen bedeckt sind. Diese Figuren tragen je nach Region Namen wie Maibär, der Belaubte, Pfingstl, Pfingstkönig oder Latzmann.
Ein besonders lebendiger Brauch findet sich in Patzmannsdorf (Niederösterreich), wo ein Umzug mit dem „Pfingstkönig“ bis heute praktiziert wird. Dieser Brauch, bereits im 16. Jahrhundert erwähnt und im 19. Jahrhundert von einem Schuldirektor wiederbelebt, zeigt deutliche heidnische Spuren.
Ein Schüler der letzten Hauptschulklasse wird zum Pfingstkönig gekrönt und trägt ein Gestell, das vollständig mit Lindenzweigen bedeckt ist. Drei Pfingstrosen auf der Spitze des Gestells symbolisieren vermutlich die dreigestaltige Göttin. Der so entstandene „Grüne Mann“ wird von Kindern durch das Dorf geführt. An bestimmten Stellen wird Halt gemacht, der Pfingstkönig wird umtanzt und ein Lied gesungen:
„…Wir reisen dahin, wir reisen daher und bringen den Pfingstkönig daher. Aus grüner Au, aus grüner Au, das ist bei uns zu Pfingsten der Brauch…“
Dabei handelt es sich um einen sogenannten Heischebrauch: Die Kinder bitten um Gaben (erheischen), die sie später unter sich aufteilen. Am Ende des Umzugs wird das Laubkleid des Pfingstkönigs symbolisch in einen Bach – die Au – geworfen.
Der Grüne Mann, als Verkörperung des Vegetationsgeistes, kommt im Frühling aus der Au – der Unterwelt – auf die Erde zurück, vereinigt sich mit der Frühlingsgöttin (dieser Teil fehlt heute im Patzmannsdorfer Umzug), und kehrt anschließend zu seinem Ursprung zurück. Der Umzug spiegelt somit den gesamten Zyklus der Natur wider: Das Werden zeigt sich im Schmücken des Laubmannes, das Sein in seiner symbolischen Präsenz im Dorf, und das Vergehen im Ablegen seines grünen Gewandes. Der Heros stirbt den rituellen Tod und kehrt als Strohmann in die Unterwelt zurück – um im kommenden Frühling erneut als Grüner Mann wiederzukehren.
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