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Raum und Mensch - Schule für Geomantie und Radiästhesie

Göbekli Tepe, die ältesten Sakralbauten der Menschheit - Tempel für die Ahninnen und Ahnen

Ich hatte vor Kurzem das große Privileg eine der heiligsten Stätten der frühen Menschen zu besuchen. Göbekli Tepe, Ausgangspunkt der sogenannten neolithischen Revolution und die bis heute ältesten anthropogenen Sakralräume der Menschheit.

Im folgenden Blog-Beitrag möchte ich euch meine Erfahrungen und Eindrücke über die herausragende Bedeutung dieses Ortes schildern. Dabei nehme ich, nach einer kurzen Einleitung zu Beginn, Bezug auf die geographische Lage und das Klima von Göbekli Tepe, sowie die – von uns nur wenig bekannte - Spiritualität, die Weltsicht und die Sozialordnung der neolithischen Menschen zur Zeit der Erbauung und Nutzung der Tempelanlagen.


Einleitung

Der Göbekli Tepe ist die höchste Erhebung eines Höhenrückens und liegt in der heutigen Türkei nahe der Stadt Sanliurfa, an der Grenze zu Syrien. Im Kontext des Fruchtbaren Halbmonds findet man den Göbekli Tepe dort ziemlich zentral, ca. 200 km östlich des Euphrat gelegen.


Göbekli Tepe - Geographische Lage | Raum und Mensch - Schule für Geomantie und Radiästhesie
Göbekli Tepe - Geographische Lage

Hier kamen die ersten sakralen Bauten der Menschheit zum Vorschein und es waren keine kleinen, sondern gleich monumentale Bauwerke. Die eigentliche Sensation war, dass diese riesigen Anlagen von Menschen errichtet wurden, deren Leben vom Jagen und Sammeln geprägt war. Die Menschen waren noch nicht dauerhaft sesshaft. Die ältesten bisher ausgegrabenen Schichten am Göbekli Tepe werden in das 10. Jt. vor unserer Zeitrechnung datiert, sind also an die 12.000 Jahre alt. Sie entstanden in der vorkeramischen Jungsteinzeit. Die Keramik war noch nicht erfunden. Behälter waren aus Flechtwerk, Holz oder Stein. Alle bis dahin entdeckten Sakralbauten wurden von Menschen einer Ackerbau- und Viehzucht-Gesellschaft erschaffen. Diese Menschen waren bereits sesshaft. Zum Vergleich: Stonehenge wurde vor etwa 4000 Jahren errichtet, die megalithischen Tempel in Malta vor etwa 5000 Jahren.

Göbekli Tepe - Raum und Mensch - Schule für Geomantie und Radiästhesie
Göbekli Tepe

Das türkische Wort „Göbek“ bedeutet so viel wie „Nabel“ oder „Bauch“ und das Wort „Tepe“ bedeutet „Hügel“ oder „Berg“. Der Göbekli Tepe ist also der „Nabel-Hügel“ oder der „Bauch-Berg“. Auf dem höchsten Punkt steht ein alter Maulbeerbaum der einen Ziyaret kennzeichnet. Ziyaret bedeutet auf türkisch „Besuch“ oder „Heimsuchung“. Der Baum war und ist immer noch ein Wunschbaum für die Menschen der Gegend. Die Menschen übergeben den Zweigen des Baumes, also dem Wind bzw. indirekt den höheren Mächten und Wirkkräften der Natur, ihre Wünsche.


Allein schon im Namen als auch in der Verehrung des Ortes als heilige Stätte - die bis heute andauert -, lässt sich die herausragende Stellung des Ortes für die Menschen der näheren und weiteren Umgebung erkennen.

Ziyaret Tepe - Raum und Mensch - Schule für Geomantie und Radiästhesie
Maulbeerbaum und Ziyaret

Aber erst im Jahre 1994 entdeckte und erkannte der Archäologe Klaus Schmid die Bedeutung des Ortes, nachdem ihm ein Bauer ein Bruchstück einer Säule brachte. Allerdings hatte bereits im Jahre 1963 der amerikanische Forscher Peter Benedict den Hügel erkundet und hier einen mittelalterlichen bzw. neuzeitlichen Friedhof vermutet. Da islamische Friedhöfe jedoch für archäologische Untersuchungen tabu sind, war dieser Ort ab diesem Zeitpunkt für die Archäologen uninteressant – bis zum Jahre 1994.


So begannen die ersten organisierten Grabungen im Jahr 1995. Die monumentalen Bauwerke haben einen kreisförmigen bzw. ovalen Grundriss mit Durchmessern zwischen 10 bis 30 Metern, sind ummauert und haben innen eine an der Mauer entlang umlaufende Bank. In regelmäßigen Abständen sind die Mauern und Bänke von mächtigen, T-förmigen Pfeilern unterbrochen. Ob diese ein Dach trugen oder nicht, ist bis heute nicht restlos geklärt. In der Mitte jeder Anlage steht immer prominent ein Paar dieser bis zu 6 Meter hohen und 20 Tonnen schweren T-Pfeiler. Sie sind noch einmal mächtiger und auch üppiger dekoriert als die umlaufenden Pfeiler.


Bisher wurden 7 solcher Anlagen mehr oder weniger vollständig ausgegraben. Geophysikalische Untersuchungen lassen vermuten, dass noch mindestens 20 weiter solcher Anlagen mit weit mehr als 200 Pfeilern am Göbekli Tepe vorhanden sind. Im Großraum um Göbekli Tepe wurden viele weitere heilige Stätten (Nevali Cori, Karahan Tepe, Sefer Tepe, Herbetsuvan Tepe u.v.a.m.) mit sehr ähnlichen Anlagen entdeckt. Denkbar ist, dass es in diesem kargen und weitgehend unbewohnten Gebiet noch viele weitere gibt, die bisher unentdeckt blieben.


Geographische Lage und Klima während der Jungsteinzeit

Göbeklie Tepe befindet sich im sogenannten "Fruchtbare Halbmond". Der „Fruchtbare Halbmond“ erstreckt sich sichelförmig von der Levante (der westasiatischen Mittelmeerküste) ostwärts, südlich der Gebirgsketten - Taurus, Pontisches Gebirge, Kaukasus, ostanatolisches Bergland, Zagros-Gebirge – bis zum persischen Golf. Hier wurden jene Erfindungen gemacht, die bis heute die Grundlage unserer Lebensweise bilden. Es wird auch von der Neolithischen Revolution gesprochen, die hier ihren Ursprung hat.

Göbekli Tepe im "Fruchtbaren Halbmond" | Raum und Mensch - Schule für Geomantie und Radiästhesie
Göbekli Tepe im "Fruchtbaren Halbmond"

Im 13. Jt. endete die letzte Eiszeitperiode und im Fruchtbaren Halbmond um den heutigen Göbekli Tepe – dort wo sich heute eine karge Steinwüste ausbreitet, die von wenigen Schaf- und Ziegenhirten bewohnt wird – breiteten sich mit der zunehmenden Erderwärmung Mischwälder aus, viele verschiede Sträucher und Büsche gediehen. Wasser aus den sich zurückziehenden Gletschern im Norden war reichlich vorhanden, Wildschweine, Auerochsen und Hirsche lebten hier in großer Zahl. In der Ebene wuchsen wildes Getreide und verschieden Grasarten, die für Wildziegen, Wildschafe, Wildesel und Gazellen die Nahrungsgrundlage bildeten. Kurzum, den damaligen Menschen dieser Gegend brachte die Vor-Jungsteinzeitlichen Epoche, die vom 13. Jt. bis ins 11. Jt. andauerte, paradiesische Zustände.


Die zahlreichen Tiere, viele verschieden Hülsenfrüchte und wilde Getreidesorten (Einkorn, Gerste, Roggen und Weizen) boten ein reichhaltiges Nahrungsangebot und erlaubten es den Menschen jetzt länger an einem Platz zu verweilen. Davon zeugen hier gefundene Mahlsteine und Sicheln. Knochendeformationen und Muskelmarker an Knochen weiblicher Skelette geben Aufschluss darüber, dass die Frauen Getreide und Früchte sammelten und mahlten. Die Männer gingen der Jagdtätigkeit nach. Rundhütten wurden grubenartig in den Boden, um einen zentralen Platz herum, hineingebaut. Die Radien der Sammel- und Schweifgebiete wurden kleiner. Die Frauen beobachteten wie aus den Resten ihres gesammelten Getreides neues Wildgetreide spross. Sie begannen die Körner absichtlich auszusähen. Wildschweine, wurden von den Speiseresten, die auf Abfallhaufen geworfen wurden, angelockt und verloren die Scheu vor dem Menschen und konnten so im Lauf der Zeit eingezäunt werden.


Im 11. Jt. brachte eine Kaltzeit beinahe eiszeitliche Verhältnisse zurück. Der Wald und mit ihm die Waldtiere verschwanden, Wildfrüchte und das Wildgetreide waren kaum mehr vorhanden. Mit dem Vordringen dieser Kaltzeit endete die Vor-Jungsteinzeitliche Epoche und die Menschen griffen wieder das altsteinzeitliche Jäger- und Sammlertum auf.


Ende des 11. Jt. wandelte sich das Klima abermals. Es kam zu einer Wärmeperiode mit rasanter Erderwärmung. Zunächst kamen Regen und Wald wieder zurück, es wurde aber bald zu trocken. Im Norden des Fruchtbaren Halbmondes trockneten die Seen aus und die Landschaft versteppte. Im Süden, im Land zwischen Euphrat und Tigris bildeten sich heiße Steppen und Wüsten. Die eindeutig angenehmste Wohngegend in dieser Region bildete auch zu dieser Zeit der Fruchtbare Halbmond mit einem leichten Baumbestand.


Die Tempel am Göbekli-Tepe entstanden ziemlich genau im Anschluss an jene Zeit geprägt von dauerhafter klimatischer Unsicherheit. Die halbsesshaften Menschen im Fruchtbaren Halbmond schlitterten in relativ kurzer Zeit von der letzten Eiszeit in eine Warmzeit mit nahezu paradiesischen Verhältnissen und von dieser wiederum hinein in eine Kälteperiode, durch die sie gezwungen wurden, ihre Lebensweise neuerlich grundlegend zu verändern, bevor die nächste Warmzeit mit angenehmen Wohn- und Lebensverhältnissen zurückkehrte.


Göbekli Tepe im Kontext der Spiritualität, Weltsicht und Sozialordnung der Erbauer der Tempel

Während der Jungsteinzeit lebten die Menschen in einzelnen Haushalten, die zusammen Dörfer bzw. Städte bildeten. Zunächst waren es Rundbauten (vorkeramische Jungsteinzeit) später dann rechteckige Bauten. Doch die Haushalte damals waren grundverschieden zu jenen von heute, die größtenteils von Kleinfamilien (Mutter, Vater, Kind) gebildet werden. Während der Jungsteinzeit – wie auch in der Altsteinzeit - bildete eine Mutter-Tochter-Linie das grundlegende soziale Gefüge eines Haushalts, worauf zahlreiche, im Gebiet der Fruchtbaren Halbmondes ausgegrabene weibliche Doppelfiguren hinweisen. Oft ragen zwei Köpfe aus einem Block, manchmal findet man sie auch übereinander, oder ineinander „gestapelt“.

Die Mutterlinie - Museum in Sanliurfa | Raum uns Mensch - Schule für Geomantie und Radiästhesie
Die Mutterlinie - Museum in Sanliurfa

Während der Jungsteinzeit blieben die Töchter immer länger im Haus der Mutter wohnen und unterstützten sie bei ihren Tätigkeiten. Die Gruppe erweiterte sich und bald wohnten drei bis vier Generationen in einem Haus, oder auch verteilt auf mehrere Häuser, die eine Gruppe bildeten. Es entstand die sogenannte Matrilinearität also die Mutterlinie, die auch für die Söhne galt, die ebenfalls bei der Mutter wohnen blieben. So entstanden die ersten Sippen oder Clans die aus der ältesten Mutter, der Gründerin und Ahnfrau mit ihren Töchtern und Söhnen, Enkeln und Enkelinnen. Die jeweilige Linie bekam eine Sippen- oder Clannamen von der Gründungsmutter, der häufig von Tieren oder Pflanzen abgeleitet wurde und wohnte matrilokal, also bei der Mutter. Es war das Mutterhaus. Die biologische Vaterschaft war (vermutlich meist) unbekannt.


Die soziale Rolle des Vaters für die „Schwesterkinder“ übernahm der „Mutterbruder“. Meistens war es der älteste Bruder, der diese Rolle übernahm. Der Mutterbruder galt auch als der nächste Verwandte der Schwesterkinder. Zudem war er der Sprecher der Sippe und vertrat diese nach außen. Die Gründungsmutter und Ahnfrau und der (älteste) Mutterbruder waren die hochgeachtetsten Personen einer Sippe. Ihnen wurde auch nach dem Tod eine besondere Ehre zu teil. Ihre Knochen wurden – meist mit Ocker – bemalt und verziert in den Kultgebäuden der Clanstädte aufbewahrt.

Göttinnen-Figurinen - Museum Sanliurfa | Raum und Mensch - Schule für Geomantie und Radiästhesie
Göttinnen-Figurinen - Museum Sanliurfa

Die Spiritualität dieser frühen Menschen war geprägt von einer großen Göttin, die alles Leben auf der Erde hervorbringt und am Ende wieder zu sich zurückholt. Alles und Jeder steht gleichberechtigt nebeneinander und ist eingebunden in diesen großen und ewigen Zyklus von Werden-Sein-Vergehen und Wiederkehr. Tod und Leben wurden zyklisch, einander abwechselnd gedacht, wobei der Tod nur einen anderen Seinszustand darstellte. Die Lebenden und die Toten bildeten eine Gemeinschaft.


Der Stier - Symboltier für den ewigen Zyklus | Raum und Mensch - Schule für Geomantie und Radiästhesie
Der Stier - Symboltier für den ewigen Zyklus auf einem T-Pfeiler in Göbekli Tepe

Im Mond mit seinen Phasen zeigte sich dieser Zyklus den damaligen Menschen am deutlichsten. Er wird voll, verschwindet langsam wieder, stirbt am Ende in den Schwarzmond hinein um nach drei Tagen wieder als helle, schmale Mondsichel zu erscheinen. In den ausladenden Hörnern des Auerochsen erkannten die Menschen den Mond. Der Stier wurden von den Menschen mit dem Mond verknüpft und sie erkannten in ihm die Verkörperung des ewigen Zyklus, ja der Göttin selbst. Der Stier mit seinen Hörnern blieb viele Jahrtausende lang Symboltier für den ewigen Zyklus von Tod und Wiederkehr, wovon die vielen gefundenen Stierschädel mit ausladenden Hörnern bzw. Darstellungen von Stieren und Hörnern in alt- und jungsteinzeitlichen Kult- und Gemeinschaftsräumen zeugen.


Kugeln - Symbol für den Schöpfungsraum - die Hemisphäre | Raum und Mensch - Schule für Geomantie und Radiästhesie
Kugeln - Symbol für den Schöpfungsraum - die Hemisphäre

Neben dem ewigen Zyklus erlebten die Menschen ihren Naturraum in drei Hemisphären, die alles und jeder, geführt und geleitet durch den ewigen Zyklus von Werden – Sein - Vergehen und Wiederkehr, immer wieder durchläuft. Die Obere Hemisphäre war die Himmelskuppel, die von den Gestirnen von Ost nach West durchlaufen wird. Die Sonne etwa wird am Morgen im Osten aus der Erde heraus geboren, durchläuft die Phase des Werdens, um zu Mittag die Phase des höchsten Seins zu durchlaufen und am Abend schließlich vergeht sie und stirbt in die untere Hemisphäre hinein, die sie spiegelgleich zur oberen Hemisphäre durchläuft. Dort wird sie auf magische Art und Weise von der „Tod im Leben Göttin“ verjüngt, um am nächsten Morgen wiederzukehren. Die mittlere Hemisphäre zwischen der Oberen und der Unteren war die Welt der Menschen, Tiere und Pflanzen. Ihr Weltbild war zugleich geprägt von einer „polaren Kosmologie“. So bestand der ganze Kosmos aus vielen Polaritäten: Frau-Mann, Sonne-Mond, Oben-Unten, Außen-Innen, Himmel-Erde, Ost-West, Sommer-Winter, Alt-Jung.


Göbekli Tepe, Tempel für die Ahninnen und Ahnen

Die halbsesshaften Menschen dieser Gegend begannen mit dem Bau der Tempelanlagen am Göbekli Tepe in einer Zeit existentieller Unsicherheit – hervorgerufen vor allem durch die klimatischen Extreme. Während 2 Jahrtausenden bauten und nutzten sie gemeinsam diese großen Tempelanlagen.

Aber welche Bedeutung hatten die Tempel für die damaligen Menschen? Wen stellen die T-Pfeiler dar? Welche tiefere Symbolik steckt hinter den vielen Ornamenten und Tieren, die die Pfeiler schmücken?


Die T-pfeiler bilden das zentrale Element der Anlagen am Göbekli Tepe und vieler weiter ähnlicher Anlagen im fruchtbaren Halbmond. In jeder der Anlagen bilden die äußeren T-Pfeiler einen ovalen bzw. runden „Steinkreis“ in dessen Innerem – zentral - immer ein Paar dieser T-Pfeiler steht. Die äußeren, die einen Schutzkreis zu bilden scheinen, sind alle gleich groß, so dass keiner wichtiger als der andere erscheint. Die Pfeiler des Pfeilerpaars im Inneren sind größer als die äußeren und reicher verziert.

Einer der Steinkreise in Göbekli Tepe - Äußere Steinkreise und inneres Säulenpaar | Raum und Mensch - Schule für Geomantie und Radiästhesie
Einer der Steinkreise in Göbekli Tepe - Äußere Steinkreise und inneres Säulenpaar

Zentraler T-Pfeiler mit angedeuteten Armen und Fingern | Raum und Mensch - Schule für Geomantie und Radiästhesie
Zentraler T-Pfeiler mit angedeuteten Armen und Fingern

Die T-pfeiler haben in der Draufsicht eine schmale rechteckige Grundform und im Profil die Form eines „T“. Links und rechts auf der breiten Profilseite mancher Pfeiler sind dünne angewinkelte Arme angedeutet, deren Hände auf der schmalen Vorderseite, auf Höhe des – nicht dargestellten - Geschlechts zu liegen kommen. Die anthropomorphen T-Pfeiler weisen generell keine Geschlechtsmerkmale auf. In dieser stark reduzierten Darstellung und dem fast völligen verschwinden persönlicher Merkmale, erkennen wir die Darstellung von Ahninnen und Ahnen aus der Jenseitswelt. Die Vorstellung, dass die Ahninnen und Ahnen in Steinen „wohnen“, die hier erstmals auftaucht, setzt sich später in den Megalith-Kulturen auf der ganzen Welt fort. In zahlreichen Mythen, Sagen und Märchen hat sich diese Vorstellung bis heute gehalten.


Dabei ist denkbar, dass das Pfeilerpaar in der Mitte einer Anlage die beiden wichtigsten und angesehensten Personen einer Sippe darstellen. Entsprechende der „polaren Kosmologie“ stellt der eine Pfeiler des Pfeilerpaars die Gründungsmutter und große Ahnfrau einer Sippe dar und der andere Pfeiler den Mutterbruder, der die weiblich-männlich Polarität vervollständigt. Es wäre aber auch denkbar, dass die beiden Pfeiler in der Mitte die Matrilinearität symbolisieren und die Stammesmutter und Ahnfrau mit ihrer jüngsten Tochter und Erbprinzessin darstellen. Dafür sprechen die vielen doppelköpfigen Figuren, die in der weiteren Umgebung gefunden wurden.


Die T-Pfeiler, die den Schutzkreis bilden, stehen für die Ahnen der anderen Mutterbrüder, die in diesen Steinen Wohnen und die große Ahnfrau mit ihrem Mutterbruder beschützen. Dafür, dass einer der Pfeiler in der Mitte die große Stammesmutter darstellt, spricht der Fund eines T-Pfeilers aus dem 8. Jt. (Adiyaman-Kilisk). der ein angedeutetes Gesicht hat und dessen Hände an der schmalen Vorderseite ein angedeutetes Kind präsentieren. Die Kinder kommen in der Spiritualität der jungsteinzeitlichen Menschen von den Ahninnen. Die große Stammesmutter und Ahnfrau, dargestellt im T-Pfeiler, ist gleichzeitig auch die Stellvertreterin der großen Göttin und Urmutter alles Lebens, der Magna Mater, der Mutter Erde. Die Frauen hatten damals eine herausragende Stellung in der Gesellschaft. Sie waren die Garantinnen für den Fortbestand der Sippe. Durch sie wurden die verstorbenen einer Sippe zu gegebener Zeit wiedergeboren.


Symbolik der großen, dreifachen Göttin in den Tempeln von Göbekli Tepe

Die Verzierungen der T-Pfeiler sind - neben den angedeuteten menschlichen Merkmalen von Armen und Händen - geprägt von verschiedenen Tierdarstellungen und zahlreichen anderen abstrakten Symbolen, die uns die spirituelle Weltsicht der Erbauer und Nutzer der Anlagen von Göbekli Tepe erklären. Diese war – wie bereits weiter oben ausgeführt - geprägt vom ewigen Zyklus von Leben, Tod und Wiederkehr, vom Dreistockwerkweltenbild, der polaren Kosmologie und einer großen dreifachen Göttin.

Symboltiere der Göttin

Unter den Tierdarstellungen erkennen wir vor allem verschieden Säugetiere, Vögel und Reptilien- bzw. spinnenartige Tiere.

Unter den dargestellten Säugetieren finden wir verschieden Beutetiere, aber auch diverse Raubkatzen. Bei den Beutetieren sticht der Auerochse mit gedrehtem Kopf und gedrehten Hörnern hervor. In dieser Darstellung erkennen wir die drei Mondphasen die wiederum für den ewigen Zyklus von Werden, Sein, Vergehen und Wiederkehr stehen. Dabei stehen die Hörner zum einen für die zunehmende Mondphase und zum anderen für die abnehmenden Mondphase. Der stilisierte runde Kopf zwischen den Hörnern steht für den Vollmond.


Kranichartige Vögel auf einem T-Pfeiler - Museum Sanliurfa | Raum und Mensch - Schule für Geomantie und Radiästhesie
Kranichartige Vögel auf einem T-Pfeiler - Museum Sanliurfa

Die Vögel waren die magischen Tiere des Himmels, die für das Werden stehen. Vor allem die dargestellten kranichartigen Vögel wie eben der Kranich, der Reiher, oder der Storch sind große, anmutige Tiere und können weite Strecken fliegen. Deshalb galten sie als Seelenvögel und Boten der Göttin. Sie bringen die Ahnenseelen aus der Anderswelt ins Diesseits zurück, um von einer Frau wiedergeboren zu werden. Vögel sind symbolisch mit der Wiederkehr verknüpft und galten als die magischen Wesen des Himmels. Eine Ausnahme bildet der Geier, der mit dem Tod verknüpft ist.


Vögel waren wie die fruchtbaren Raubkatzen und Katzen im Allgemeinen auch die Symboltiere der Göttin in ihrem weißen Aspekt, dem Mädchenaspekt, der jungen Mädchengöttin, die für Neubeginn, die wiederkehrende Fruchtbarkeit und das schöpferische Chaos steht. Im ewigen Zyklus verkörpert sie die „Wiederkehr“ und das „Werden“ im Allgemeinen.


Schlangen, Spinnen und Skorpione sind die magischen Tiere der Anderswelt. Den Tieren der Anderswelt ist die Fähigkeit sich zu häuten gemein.

Schlangen, Spinnen und Skorpione an der Front eines T-Pfeilers | Raum und Mensch - Schule für Geomantie und Radiästhesie
Schlangen, die sich nach unten bewegen und Pfeile nach oben zeigend - Symbolik für den ewigen Zyklus

Symbolisch sind sie dadurch befähigt sich selbst zu verjüngen. So wurden sie zu Symboltieren für Tod und Wiederkehr, für Tod und Leben und zu den Symboltieren der Göttin im schwarzen Aspekt, der Tod im Leben Göttin und Hüterin des magischen Kessels, die am Ende alles zu sich holt, es transformiert, und verjüngt. Im ewigen Zyklus steht sie für das „Vergehen“ und die „Transformation“.


Die vielen Beutetiere, wie der Keiler, die Wildziege, das Wildschaf waren die nahrungsspendenden Tiere der mittleren Welt. Neben der goldenen Getreideähre oder dem Apfel standen sie für die Fülle und den Reichtum an Nahrung. Sie sind die Symboltiere der Göttin im roten Aspekt, die für Liebe und Leben steht. Im ewigen Zyklus verkörpert sie das „Sein“.


Das Dreistockwerkweltbild

Die Symbolik der Darstellungen an den Pfeilern von Göbekli Tepe verrät uns noch ein weiteres Detail der spirituellen Weltsicht dieser frühen Menschen, nämlich das Dreistockwerkweltbild, welches für die gesamte Schöpfung an sich steht. Es bestand aus der oberen Hemisphäre, den Himmel mit all seinen Gestirnen. Hier wohnt die Göttin in ihrem weißen Aspekt als Herrin des Himmels und der göttlichen Gestirne. Der Himmel wölbt sich wie eine Halbkugel über die mittlere Welt, die Welt der Menschen, Tiere und Pflanzen. Die mittlere Welt ist die Welt der Göttin in ihrem roten Aspekt, der Schenkerin von Liebe und Leben. Unter der mittleren Welt spannt sich die Jenseits- oder Anderswelt, ebenfalls wie eine Halbkugel, auf. Hier ist das Reich der Göttin in ihrem schwarzen Aspekt. Sie ist die Hüterin über die Mysterien des Lebens, der Mysterien von Tod und Wiederkehr, die Geheimnisse der Transformation.

Symbole für das Dreistockwerk-Weltenbild und das "I" für die Weltenachse (unten) | Raum und Mensch - Schule für Geomantie und Radiästhesie
Symbole für das Dreistockwerk-Weltenbild (Mitte) und das "I" für die Weltenachse (Unten)

Wir erkennen diese Symbolik in einem abstrakten Relief, welches sich an einzelnen Pfeilern wiederholt. Es besteht aus einer horizontalen Linie mit je einem Halbkreis darüber und darunter. Der horizontale Strich steht symbolisch für die mittlere Welt der Menschen, Tiere und Pflanzen, der Welt aus Maß, Form und Gewicht. Der Halbkreis unter der Linie steht für die Jenseitswelt, die Anderswelt, die Unterwelt und der Halbkreis über der horizontalen Linie wiederum steht für die obere Hemisphäre, den Himmel und die göttlichen Gestirne. Diese einfache Darstellung spannt den Raum der Schöpfung mit ihren drei Weltebenen auf. Der ewige Zyklus durchläuft immerwährend und fortlaufend diese drei Welten. Alles und Jeder ist darin eingebunden. Das Dreistockwerkweltenbild erschafft den Raum, in den die Menschen eingebunden sind und der ewige Zyklus steht für die unendliche Zeit. Die Schöpfung besteht solange der Raum aufgespannt bleibt und solange der ewige Zyklus in Gang gehalten wird.



Weitere Symbole für die Weltenachse und das Dreistockwerk-Weltenbild auf einem T-Pfeiler | Raum und Mensch - Schule für Geomantie und Radiästhesie
Weitere Symbole für die Weltenachse und das Dreistockwerk-Weltenbild auf einem T-Pfeiler - Museum Sanliurfa

In einer weiteren Darstellung erkennen wir möglicherweise eine Weltenachse. Das I oder das umgefallene I, welches zum H wird. Die Querbalken beim I - oben und unten – stehen für die obere und die untere Welt. Die senkrechte Linie ist die Axis Mundi, die Weltenachse, welche die beiden Welten verbindet. Diese Symbolik finden wir auch in vielen anderen Schöpfungsmythologien z.B. im Weltenbaum Yggdrasil der nordischen Mythologie oder dem Weltenberg Meru aus der asiatischen Mythologie. Sie alle spannen den Schöpfungsraum auf.


Neben den Symboltieren für die Göttin in ihren unterschiedlichen Aspekten und der verschiedenen Welten bzw. Hemisphären ist auch denkbar, dass es sich bei einzelnen abgebildeten Tieren um Totemtiere einzelner Sippen bzw. Clans handelt. Vielleicht hatte auch jeder Clan seinen eigenen Tempel, um dort die Gründungsmutter und große Ahnfrau des Clans zu ehren. Die vielen vergleichbaren Anlagen, die am Göbekli Tepe und anderen Orten im Fruchtbaren Halbmond gefunden wurden, können darauf hindeuten.


In den Tempeln von Göbekli Tepe und den anderen vergleichbaren Anlagen im fruchtbaren Halbmond feierten diese frühen Menschen die großen Jahreskreisfeste, um Schutz, Segen und Fruchtbarkeit zu erbeten und um die Wirkkräfte der großen Göttin zu unterstützen. Nach dem Prinzip der Resonanz unterstützen sie durch das rituelle Aktivieren der Symbolik und durch die Kommunikationssprache der rituellen Handlungen das liebevolle Zusammenkommen aller kosmischen und irdischen Polaritäten, um die Welt, den Kosmos in Balance zu halten, damit nichts und niemand aus dem ewigen Zyklus herauspurzelt und der Schöpfungsraum nicht in sich zusammenfällt. Diese Feste gaben den frühen Menschen Sicherheit, Orientierung und förderten den Zusammenhalt.


Weitere Impressionen aus Göbekli Tepe, Karahen Tepe und dem Museum in Sanliurfa

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